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Plagiatsverfahren gegen Urs Mannhart

Keine Auslieferung, ein Werbe- und Leseverbot: Urs Mannhart und sein Verlag Secession müssen vorerst die Aktivitäten rund um den Roman «Bergsteigen im Flachland» einstellen. Das Gericht hat eine Plagiatsklage des Reporters Thomas Brunnsteiner gutgeheissen. Nun könnte der Roman Gegenstand eines Gerichtsverfahrens werden.

Südostschweiz
22.09.14 - 17:04 Uhr

Zürich. – Der Fall bewegt die Gemüter: Urs Mannhart, 39-jähriger Berner Schriftsteller und Journalist, sieht sich mit Plagiatsvorwürfen eines Berufskollegen konfrontiert. In seinem im Mai erschienenen Roman «Bergsteigen im Flachland» nimmt er in Form von einigen Motiven und Figuren Bezug auf Reportagen des Reporters Thomas Brunnsteiner.

Der Österreicher sei mit seinen «grossartigen Reportagen» eine Inspirationsquelle für ihn, schrieb Mannhart im August auf dem Literaturblog literaturport.de. Mit diesen Lorbeeren kann Brunnsteiner nichts anfangen: Er wirft dem Berner «Diebstahl geistigen Eigentums» vor, wie er am Montagnachmittag auf Anfrage der sda ausführte. Mannhart schmücke sich «mit fremden Federn».

Nun hat das Handelsgericht Zürich entschieden, Brunnsteiners Klage auf vorsorgliche Massnahmen stattzugeben. Damit muss der Secession-Verlag bis zum Hauptverfahren die Auslieferung des Romans stoppen und darf ihn nicht bewerben. Mannhart selber sind Lesungen aus dem Werk untersagt. Das teilte der Verlag am Montag in einem Communiqué mit. Das Gericht äussert sich nicht zum Fall.

Brunnsteiner fühlt sich bestätigt

Brunnsteiner sieht seinen Vorwurf im Urteil bestätigt, wie er sagte. Er hat nun eineinhalb Monate Zeit, eine Klage vorzubereiten. «Selbstverständlich» hoffe er aber, der Verlag werde nun aufgrund dieses ersten Urteils, auf seine Entschädigungsforderungen eingehen, was ein Gerichtsverfahren überflüssig machen würde.

Der Reporter hatte vor seinem Gang ans Gericht dem Secession-Verlag seine Forderungen unterbreitet, unter anderem eine Entschädigung von 30'000 Franken. Die Forderungen bezeichnete der Verlag als «überrissen und unerfüllbar».

Schon nachdem Brunnsteiner mit seinen Vorwürfen an die Öffentlichkeit gelangt war, hatte Mannhart das Versäumnis seinerseits bedauert, die Quellen nicht explizit genannt und den Berufskollegen nicht im Vorwort erwähnt zu haben. Zudem entschuldigte sich Mannhart öffentlich beim Österreicher.

Ein persönliches Gespräch zwischen Brunnsteiner und Mannhart hat gemäss den Aussagen des Klägers nicht stattgefunden. Für den Reporter ist klar: «Ich bin der Bestohlene und habe ein Anrecht auf Wiedergutmachung.» Wie bei einem materiellen Diebstahl reiche auch in seinem Fall eine Entschuldigung nicht.

Mannhart ist schockiert

114 Textstellen hat der Österreicher beanstandet, 6 davon habe das Gericht in seinem Urteil berücksichtigt, schreibt der Verlag. Als Beispiel nannte er den folgenden Satz: «Das Kaspische Meer ist so gross wie Deutschland.» In Brunnsteiners Reportage hiess es: «Das Kaspische Meer mag so gross sein wie Deutschland.»

Mit dem Urteil verkenne das Gericht, dass es sich bei «Bergsteigen im Flachland» um ein «fiktionales Werk handelt, das wie fast jedes andere fiktionale Buch auch Material und Fakten aus nichtfiktionalen Werken» aufnehme.

Auch Mannhart selber äusserte sich auf literaturport.de ähnlich. Er stehe «unter Schock», schrieb der Autor am Montag. «Ich frage mich: Soll es Schriftstellern künftig verboten sein, Informationen, die sie in Zeitungen und Sachbüchern finden, literarisch zu verarbeiten?» Das Verkaufs-, Werbe- und Leseverbot halte er für eine «haarsträubende Unverhältnismässigkeit».

In seiner Mitteilung schreibt der Verlag, man sehe einem allfälligen Verfahren zuversichtlich entgegen und hoffe, Urs Mannhart werde vollständig rehabilitiert.

Verlag sieht Klage als Präzedenzfall

In der Medienmitteilung vom Montag äusserte der Verlag den Vorwurf, Brunnsteiner wolle aus Mannharts Werk Kapital schlagen. Diesem Versuch komme eine grundsätzliche Bedeutung zu und er reiche «weit über den Einzelfall hinaus».

Thomas Brunnsteiner, der mit seiner Familie in Lappland lebt und sich derzeit zum Ingenieur umschulen lässt, bezeichnet den Vorwurf im Gespräch mit der sda als «absurd». (sda)

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