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Kunstmuseum Bern zeigt Augusto Giacometti – zentraler Aussenseiter

Der Bündner Maler Augusto Giacometti (1877-1947) gilt als Meister der Farbe und der Abstraktion. Obwohl von ihm wichtige Impulse ausgingen, steht er in der Kunstgeschichtsschreibung noch immer etwas abseits. Das Kunstmuseum Bern widmet dem zentralen Aussenseiter eine umfassende Ausstellung.

Südostschweiz
17.09.14 - 17:58 Uhr

Bern. – Der Spross der bekannten Bergeller Künstlerdynastie Giacometti sei so etwas wie ein Geheimtipp, sagte Matthias Frehner, Direktor des Berner Kunstmuseums am Mittwoch vor den Medien in Bern. Anders als etwa bei Alberto und Giovanni Giacometti sei das Werk Augustos weniger gut aufgearbeitet.

Ein Herz und eine Seele waren Augusto und Giovanni offenbar nicht, auch wenn sie aus dem gleichen Bergeller Dorf stammten. Zeitlebens sollen sich sich eher abschätzig übereinander ausgelassen haben. Die Motive des Bergdorfes Stampa, wie auch die beiden Wirtschaften des Orts teilten sie sich stillschweigend auf.

Augusto hatte das Bergell früh verlassen und arbeitete in Paris und Florenz, bevor er sich in Zürich niederliess. Den Motiven des Bergells blieb er indessen zeitlebens verhaftet.

Kein «Gelegenheitsabstrakter»

Augusto Giacometti sei nicht einfach ein «Gelegenheitsabstrakter», betonte Frehner. In der Kunstgeschichte werde er oft so dargestellt, weil er auch gegenständlich malte. Vielmehr müsse Giacometti als Pionierfigur des frühen 20. Jahrhunderts gesehen werden.

Für Giacometti habe es eben nicht nur «entweder oder» gegeben, weder in seinem Leben noch in seiner Kunst, so Frehner.

Der gebürtige Bergeller entwickelte früh einen ureigenen Ausdruck und war ein ausgesprochen unabhängiger Geist. Den internationalen Avantgarden begegnete er mit Interesse und Neugier, ohne sich ihnen anzuschliessen.

Zwischen Abstraktion und Realismus

Dass er zwischen Abstraktion und Realismus hin und her pendelte, hatte Gründe: So waren die Schweizer Sammler damals offenbar noch nicht bereit, abstrakte Werke zu kaufen. Sie bevorzugten erkennbare, gegenständliche Bildmotive.

Das Pendeln zwischen den Stilen hat Giacometti, wer weiss, vielleicht sogar mit einem Augenzwinkern, in einem kleinen Bild verdichtet: Es zeigt das Atelier des Künstlers in Zürich – alles recht gegenständlich. An einer Atelierwand ist eines von Giacomettis grossen, abstrakten Werken zu sehen.

Die Farbe als grosse Klammer

Im Zentrum von Augusto Giacomettis Schaffen stand die Farbe. Sie war stets sein eigentliches Gestaltungs- und Ausdrucksmittel und bildet so etwas wie eine grosse Klammer um das stilistisch immer wieder durchbrochene Werk.

Immer wieder nutzte Giacometti auch den leeren oder scheinbar leeren Raum zur Gestaltung, also die weisse Leinwand oder das Schwarz eines Hintergrundes, aus dem intensive Farben herauf glühten.

Von eindrücklicher Strahlkraft sind auch Giacomettis Glasmalereien. Das wohl bekannteste Werk sind seine Fenster im Zürcher Grossmünster.

Möglichst realitätsnahen Eindruck 

Um den Besuchern der Berner Ausstellung einen möglichst realitätsnahen Eindruck dieser Fenster und ihrer Leuchtkraft zu vermitteln, haben sich die Ausstellungsmacher entschieden, in der Zürcher Kirche eine Kamera zu positionieren, die Bilder der Fenster in Echtzeit nach Bern übermittelt.

Giacomettis Bilder werden in Bern auch in einen internationalen Zusammenhang gebracht mit Werken aus den Beständen des Kunstmuseums, etwa von Paul Klee, Adolf Hölzel oder Johannes Itten.

Seltene Werke in Bern

Für die Ausstellung im Berner Kunstmuseum, die den Titel «Die Farbe und ich» trägt, konnten zahlreiche Werke aus dem In- und Ausland zusammengetragen werden, die bisher selten oder noch gar nicht zu sehen waren. Darunter befinden sich auch Bilder aus dem Museum of Modern Art in New York.

Mit der Ausstellung zu Augusto Giacometti setzt das Kunstmuseum Bern seine Tradition monographischer Ausstellungen über Schweizer Künstler der Moderne fort. In den vergangenen Jahren waren Ausstellung zu Giovanni Giacometti, Ferdinand Hodler, Otto Nebel, Meret Oppenheim und Félix Valloton zu sehen.

Die Ausstellung zu Augusto Giacometti öffnet am Freitag ihre Tore und dauert bis am 8. Februar 2015. (sda)

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