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Gurlitt-Cousine kommt Berner Kunstmuseum in die Quere

Das Kunstmuseum Bern will offenbar das umstrittene Erbe des verstorbenen deutschen Kunstsammlers Cornelius Gurlitt annehmen. Dies zumindest berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am Freitagmorgen. Das Kunstmuseum Bern dementierte sogleich. Am Nachmittag wurde allerdings bekannt, dass die Cousine von Gurlitt Anspruch auf das Erbe erhebt.

Südostschweiz
21.11.14 - 17:14 Uhr

Bern/Berlin. – Nach Angaben ihres Sprechers beantragte Uta Werner am Freitag einen Erbschein beim zuständigen Nachlassgericht. Beim Gericht war zunächst niemand für eine Bestätigung zu erreichen.

Werner werde von ihren Kindern sowie einzelnen Söhnen und Enkeln ihres Bruders Dietrich unterstützt, heisst es in einer Mitteilung vom Freitag. Die betagten Geschwister Uta und Dieter wären die gesetzlichen Erben gewesen. Dietrich Gurlitt hat bisher aber keine Ansprüche erhoben.

Eigentlich habe sich die Familie nur für den Fall auf das Erbe vorbereiten wollen, dass das Kunstmuseum Bern es ausschlägt. Wegen eines Gutachtens, das den Geisteszustand und damit die Testierfähigkeit von Cornelius Gurlitt anzweifelt, habe man sich aber jetzt anders entschieden, heisst es in der Mitteilung weiter.

Die Nachrichtenagentur dpa beruft sich bei ihrer Meldung, das Kunstmuseum Bern wolle das Gurlitt-Erbe annehmen, auf eine ihr verlässlich erscheinende, namentlich nicht genannte Quelle in Berlin.

Weder das Haus von Kulturstaatsministerin Monika Grütters - und damit die deutsche Regierung - noch das Kunstmuseum Bern bestätigten jedoch die Information am Freitag. Das Kunstmuseum verschickte gegen Mittag ein «Dementi» in Form einer kurzen Pressemitteilung.

Darin hält die Museumsleitung fest, die Entscheidung des Stiftungsrates des Kunstmuseums Bern stehe noch aus und werde am Montag, 24. November 2014, in Berlin an einer gemeinsamen Pressekonferenz mit deutschen Behörden kommuniziert.

Schwieriges Erbe

Dem Entscheid gingen monatelange Verhandlungen des Museums mit deutschen Behörden voran. Dabei ging es um Fragen von internationaler Brisanz, denn zur Erbschaft gehört eine mutmasslich millionenschwere Kunstsammlung, der Nazi-Raubkunst-Verdacht anhaftet.

Wer auch immer das schwere Erbe antritt, wird komplizierte ethische und rechtliche Fragen zu klären haben. Das Konvolut von rund 1600 teilweise namhaften Kunstwerken muss auf Raubkunst hin untersucht und aufgearbeitet werden. In Deutschland hat eine Taskforce damit begonnen.

Dass das Berner Museum das Erbe antreten dürfte, war in den letzten Monaten von verschiedenen Kunstexperten als wahrscheinlich angesehen worden.

Die Herkunftsforschung soll in Deutschland verbleiben, und es sollen die unbedenklichen Bilder nach Bern überstellt werden. Werke der sogenannten «entarteten Kunst» sollen an die Museen zurückgehen. Das Museum selber äusserte sich freilich nie dazu.

Das Kunstmuseum Bern hat sich mit dem Entscheid über den Antritt des schwierigen Erbes Zeit gelassen und die vom deutschen Gesetz verordnete Frist praktisch ausgeschöpft. Der Entscheid ist eine delikate Angelegenheit von internationaler Brisanz.

Weltsensation

Zusammengetragen wurde die Kunstsammlung nicht von Cornelius Gurlitt, sondern von dessen Vater Hildebrand, einem bevorzugten Kunsthändler des Nazi-Regimes.

Die Sammlung umfasst rund 1600 Gemälde, Zeichnungen und Grafiken. Mutmasslich enthält das Konvolut auch Raubkunst, «entartete Kunst» und Werke, die ihre Besitzer in der Not des Zweiten Weltkriegs weit unter Wert verkaufen mussten.

Sohn Cornelius hortete die Kunstwerke nach dem Tod des Vaters verschwiegen in seinen eigenen vier Wänden. Eher zufällig stiessen die Behörden auf den riesigen Kunstschatz, den der gebrechliche Rentner in einer Privatwohnung in München hortete.

Die Sammlung wurde beschlagnahmt. Kurz vor seinem Tod willigte der gebrechliche Gurlitt ein, die Sammlung aufarbeiten zu lassen und Raubkunst berechtigten Anspruchstellern zurückzugeben.

Daraufhin sollte Gurlitt seine Bilder zurückerhalten. Diesen Tag erlebte er aber nicht mehr. Im Mai starb er 81-jährig. Als Alleinerben setzte er testamentarisch das Kunstmuseum Bern ein. Dort fiel man aus allen Wolken, hatte die Institution nach eigenen Angaben doch nie mit Gurlitt in Kontakt gestanden. (sda)

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