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Eine opulente Bündner Dreigroschenoper

Das Theater Chur leistet sich mit «Bergpiraten» ein opulentes Musiktheaterstück zum Thema Ausverkauf der Alpen. Doch Aktualität und Brisanz verschwinden hinter optischem und musikalischem Wohlgefallen. Am Mittwoch war Uraufführung.

Südostschweiz
29.01.15 - 19:03 Uhr

Chur. – Die Lobby eines Hotels in den Alpen: Der Glanz von früher ist schon lange verblasst, man blickt dem langsamen, aber sicheren Niedergang entgegen. Draussen blühen zwar die Bergblumen auf den Wiesen, doch drinnen herrscht Flaute. Etwas Neues muss her, meint der Hotelbesitzer, eine Attraktion wie die «Erlebnisperle Tgombras» zum Beispiel. Oder noch besser: ein arabischer Scheich, der Millionen investiert. Und wenn nötig halt eben verlocht.

Auf der anderen Seite steht die Ökoaktivistin Carla, die sich gern auf den Hochmooren rumtreibt und Arten zählt – und vom Tourismus nichts wissen will. Zwischen diesen Polen laviert Jonny, ein windiger Nachtclubbetreiber, dem die Frauen in Scharen nachlaufen, darunter die Tochter des Hoteldirektors. Das wird spannend, als der Scheich tatsächlich auftritt. Dessen Plan: Er will ein tiefes Loch graben, koste es, was es wolle.

Aktuelles aus dem Alpenraum

Vom «Ausverkauf der Alpen» soll «Bergpiraten – Eine Dreibündner Groschenoper» handeln. Am Mittwoch wurde das Stück im Rahmen des Festivals «Höhenfeuer» am Theater Chur uraufgeführt. Das Festival versteht sich als Ort, an dem man sich mit theatralen Mitteln mit aktuellen, die Schweiz und den Alpenraum betreffenden Themen beschäftigt.

Nicht nur im Untertitel lehnt sich die in Graubünden aufgewachsene Autorin Anita Hansemann mit ihrem ersten komödiantischen Musiktheaterstück an Bertolt Brechts «Dreigroschenoper» von 1928 an, auch in der Konzeption und der Figurenfindung.

Statt Kurt Weill hat der Bündner Komponist Robert Grossmann die Musik geschrieben. Ihm sind dabei viele eingängige Songs gelungen, die von den Darstellern mit viel Hingabe geschmettert werden. Stilistisch reichen sie von der klassischen Ballade bis zum Sprechgesang.

Regie führt Achim Lenz. Der in Chur geborene Regisseur hat auch schon im Ausland bewiesen, dass er von der klassischen Tragödie bis zum zeitgenössischen Schwank alles inszenieren kann. Die Churer Groschenoper bringt Lenz nun in grosser Opulenz auf die Bühne – die Produktion dürfte denn mehr als ein paar Groschen gekostet haben.

Vor dem von Silke Bauer entworfenen Bühnenbild mit Rezeptionskabäuschen, Treppenaufgang und Drehtür versammelt sich ein illustres Ensemble, das aus Darstellern besteht, die vornehmlich aus der Region stammen.

Zindel als Naturschützerin

Da ist die bezaubernde Tonia Maria Zindel als zupackende Naturschützerin, Peter Jecklin als näselnder Hoteldirektor, Nikolaus Schmid als Berufscharmeur Jonny und Fabienne Heyne als Tochter des Hoteliers. Francesca Tappa gibt eine hinreissend laszive Zuhälterin, in deren Gefolge vier junge Tänzerinnen das Bild bereichern. Und mit ihnen weitere Nebenrollen, die mit Laienschauspielern besetzt wurden.

Das sowohl musikalisch wie optisch bunte Stück kommt jedoch nur schwer in Fahrt. Gerade vor der Pause des zwei Stunden dauernden Abends scheint die Handlung mehr dahin zu plätschern statt vorangetrieben zu werden.

Den anfänglich behaupteten Konflikt zwischen dem Fressen und der Moral – oder dem Tourismus und der Natur – verliert «Bergpiraten» zwischenzeitlich aus dem Blick. Stattdessen entwickelt sich ein eher an ein Volkstheaterstück erinnernder Plot über Liebe und Triebe. Die Aktualität des Themas verschwimmt so hinter optischem und musikalischem Wohlgefallen. (sda)

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