×

Halb Wohn­haus, halb Ga­le­rie

Im Un­ter­en­ga­di­ner Dorf Vnà hat sich die Zür­cher Ga­le­ris­tin Eva Pre­sen­hu­ber ein aus­ser­ge­wöhn­li­ches ­F­er­ie­nhaus e­rba­uen la­ssen, das a­kt­uell die Au­sste­llung «Re­ad­ym­ade» b­ehe­rbergt.

Südostschweiz
26.03.17 - 07:00 Uhr
Kultur
Skulpturaler Monolith: Im Ferienhaus von Eva Presenhuber in Vnà sind derzeit Werke von 19 Künstlern zu sehen. Pressebild
Skulpturaler Monolith: Im Ferienhaus von Eva Presenhuber in Vnà sind derzeit Werke von 19 Künstlern zu sehen. Pressebild

Eva Presenhuber kommt aus Österreich und zog 1989 nach Zürich. Nach Mitarbeit und Teilhaberschaft bei der Galerie Hauser & Wirth machte sie sich 2004 selbstständig und war bereits im ersten Jahr auf der Art Basel Miami vertreten. Heute ist Presenhuber im ­Selection Comitee der Art Basel und entscheidet mit, wer dabei sein darf. Sie hat Galerieräumlichkeiten im Zürcher Löwenbräu- und im früheren Maagareal und vertritt Künstler wie Franz West, Doug Aitken, Richard Prince oder Oscar Tuazon und John ­Giorno, die sie aktuell in Ausstellungen zeigt.

Eine dominante Bauskulptur

In Vnà besitzt Presenhuber seit einigen Jahren ein Ferienhaus. Sie kam zufällig ins Dorf, war spontan begeistert von der Ruhe, mietete ein altes Haus und erwarb später ein Stück Land mitten im Ort. Mit dem Neubau beauftragte sie ihre Freunde, das Architektenpaar Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler. Entstanden ist ein Monolith, eine eindrückliche und dominante Bauskulptur, die eine spannende Interaktion mit dem umliegenden Dorf samt Miststöcken und Schweinen eingeht. «Am Anfang haben wir das Gebäude als Fremdkörper empfunden, für uns war es ‘der Bunker’», meint eine Dorfbewohnerin. «Aber wir haben uns daran gewöhnt.»

Den Architekten ist mit dem hauptsächlich aus Beton erstellten Haus der Spagat zwischen traditioneller und zeitgenössischer Architektur gelungen, herkömmliche und modernistische Elemente ergeben eine eindrucksvolle Einheit.

Es begann mit Marcel Duchamp

Aktuell hat Presenhuber unter dem ­Titel «Readymade» 19 Künstler im Haus versammelt. Kuratiert wurde die Ausstellung von Fredy Fischli und Niels Olsen. Unter «Readymade» versteht man einen vorhandenen Alltagsgegenstand, der in ein Kunstwerk integriert oder vom Künstler zum eigenständigen Kunstwerk erklärt wird. Der Name geht auf Marcel ­Duchamp zurück. Sein Readymade «Fountain» von 1917, ein serienmässig produziertes Urinoir markiert den Beginn dieser Kunstrichtung.

Presenhubers Haus in Vnà ist mit Alltagsgegenständen aller Art gefüllt, und man muss genau schauen, um die vielen verschiedenen Ausprägungen von Readymades in der Wohn­umgebung zu entdecken. Seit Anbeginn wurden Readymades mit Diebstahl in Verbindung gebracht, das «Aneignen» macht den Alltagsgegenstand zum Kunstwerk. Daran erinnert die Arbeit «Doctrine Of Total War» von Lutz Bacher im Eingangsbereich, die mit ihren Absperrbändern an den Schauplatz eines Verbrechens, an eine Ermittlung denken lässt.

Mathieu Malouf zeigt am Boden angeordnete, echte Cheeseburger, die Treppen werden gesäumt von grossen Schachfiguren, ebenfalls von Lutz Bacher. Um den Wohnbereich zu betreten, muss man Plastikstreifen des Werks «Empereur» von Timothée Calame beiseiteschieben, bevor man verschiedene Fotografien betrachten kann. Valentin Caron, der den Schweizer Pavillon der Biennale Venedig 2013 gestaltet hat, ist mit zwei Arbeiten vertreten.

Werke von Karen Kilmnik und Pierre Joseph bringen den Betrachter unwillkürlich dazu, sich eine Geschichte zu den Objekten vorzustellen. Schmutziges Geschirr (Georgie Nettel) steht herum, als seien Gäste gerade gegangen, Zigarettenschachteln und Kippen (Koo Jeong A) liegen am Boden, eine Skulptur aus Kartons (Matias Faldbakken) beherrscht den Wohnraum. Zusammengebundene Magazine von Sylvie Fleurie liegen wie zum Abtransport bereit und ein elegantes Kleid unter Plastikfolie vor der Dusche scheint nur darauf zu warten, dass es angezogen wird, die Einkaufstüte des Luxuslabels steht daneben. Zusammen mit den Arbeiten von Heimo Zobernig, Gili Tal, Jacques Salomon, Adriana Lara, Merlin Carpenter, Liam Gillick, Klara Lidén, Oliver Payne und Christopher Williams ergibt sich ein guter Überblick zum Thema «Readymade».

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Kultur MEHR