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Shades of Grey – ein Selbstversuch

Seit Donnerstag läuft der zweite Teil der «Shades of Grey»-Triologie in den Schweizer Kinos. Wir haben darum unsere Redaktoren Victoria (hat alle Bücher der Fifty Shades-Serie gelesen) und Manu (weiss noch von nichts) ins Kino geschickt, um «50 Shades darker» zu schauen.

Victoria
Sutter
10.02.17 - 21:40 Uhr
Kultur
Victoria und Manu posieren vor dem Filmplakat.
Victoria und Manu posieren vor dem Filmplakat.

Auf dem Weg ins Kino

Victoria: Was uns wohl erwarten wird? Manuel ist ein wenig unsicher, da er weder die Bücher gelesen, noch den ersten Film gesehen hat, im Gegensatz zu mir. Ich habe die Bücher vor etwa zwei Jahren gelesen, und fand sie sehr gut geschrieben. Der erste Film hat mich dann sehr enttäuscht: Die Emotionen kamen kaum rüber und die schauspielerische Leistung war auch nicht immer das Wahre. Deshalb gehe ich davon aus, dass der zweite Teil nicht viel besser wird. Zudem fehlt mir nun die Spannung, denn beim ersten Mal freute ich mich auf den Film, weil ich neugierig war, wie das Buch umgesetzt worden ist. Heute habe ich keine allzu hohen Ansprüche.

Manuel: Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet. Ich habe nur mitbekommen, dass es in der «Shades of Grey» -Triologie teilweise sehr heiss zu und her gehen soll. Ich vermute aber, dass mich irgendein Liebesfilm erwartet. Es besteht darum die Gefahr, dass ich einschlafe. Nicht nur weil der Film höchstwahrscheinlich so langweilig sein wird wie die Super League mit dem FC Basel, sondern auch weil ich Frühschicht hatte und darum zu wenig geschlafen habe.

An der Kasse

Victoria: Sex sells, das wissen wir. Beim Kauf des Kinotickets gibt’s daher einen Gutschein vom Erotikmarkt gratis dazu und neben der Eismaschine steht ein Tisch voller Sexspielzeuge. Naja, ob hier jemand was kauft? Die Frau an der Kasse verneint lachend. Sie sagt, die meisten Männer stehen mit hochrotem Gesicht ein wenig abseits, während die Frauen gespannt schauen, was es denn zu kaufen gebe. Aber wirklich trauen würde sich niemand.

Manuel: Im Kino angekommen, denke ich zum ersten Mal: «wtf???»  Neben der Eismaschine steht ein Tisch, auf dem Handschellen, so etwas wie ein Kochlöffel und noch viel mehr Utensilien liegen. Zum Kaufen versteht sich. Wer steht schon vor diesem Tisch und überlegt sich: «Hmm heute nehme ich statt Popcorn lieber die Handschellen»?!

Ein Tisch voller Sexspielzeug

Der Tisch neben der Eismaschine ist voller Sexspielzeuge.

Kurz nach Filmbeginn

Victoria: Das Ende des ersten Films war die "spektakuläre" Trennung der Hauptdarsteller Anastasia Steele und Christian Grey. Weil er ihr in seinem Sexzimmer gezeigt hat, was es heisst bestraft zu werden, wenn sie ihm nicht gehorcht, hat sie den Schlussstrich gezogen. Nun versöhnen sie sich wieder und sie verlangt eine Erklärung, weshalb er solche Vorlieben hat. Er sagt: «Ich habe es dir gesagt. Als du geschlafen hast» - ernsthaft?! Und ja, sie gibt ihm zu verstehen, dass für eine gute Kommunikation beide Partner bei Bewusstsein sein müssen. Das ist ja, als würde man einem Kind erklären, dass es nicht in der Nase bohren soll.

Sie sagt, sie will beim Dinner nur reden, alle Kinobesucher denken: «Ja klaaar, als ob sie nur reden würden.» Ich weiss es besser (danke an die Bücher) und der Rest des Saals ist enttäuscht, als (abgesehen von einem heissen Kuss an der Wohnungstür) tatsächlich nichts geschieht. Manu sagt zum ersten Mal: «Echt jetzt?» (dieser Ausdruck und «Nai, was isch das?!» werden heute noch einige Male zu hören sein).

Manuel: Der Film fängt ja super an: Die Protagonistin, Anastasia ist ihr Name (wenigstens zu Beginn hab ich gut aufgepasst), hält einen Strauss Rosen in der Hand. Man sieht ihr trauriges Gesicht. Dazu läuft gefühlvolle Musik. Was hab ich mir angetan? Nicht nur der kitschige Start geht mir auf den Sack, sondern auch die unsichere Art von Anastasia und ihr ständiges Zögern. Sie soll doch einfach sagen, was sie will.

30 Minuten nach Filmbeginn

Victoria: Manu ist entsetzt. «Das ist ja total kitschig! Mein Gott, sollte das nicht ein Sexfilm sein?! Er küsst sie einmal an der Intimstelle und sie erlebt schon einen Orgasmus. War die bis jetzt so enthaltsam oder was?» Ich lache lauthals heraus. Und erkläre ihm, dass es wohl nicht besser wird.

Obwohl Christian Grey überhaupt nicht mein Typ ist und ich ihn gar nicht sexy finde (entgegen vieler Frauen), ist es doch ein wenig doof, dass man von Anastasia alles sieht (hey, im ersten Film hatte sie noch eine Schambehaarung!) und von Mr. Grey höchstens den Ansatz von Schamhaaren und ein wenig Arsch. Naja, was soll‘s.

Manuel: Da bleibt einem ja das Popcorn im Hals stecken! Nein, Spass! Ich habe mich dummerweise für einen schleimigen, kitschigen Liebesfilm ohne Handlung überreden lassen. Ich hätte einschlafen können, ohne etwas zu verpassen. Zudem gab es bis anhin noch keine einzige erotische Szene. Ich verstehe den Sinn von «Shades of Grey» nicht. Anscheinend ist es ein Sexfilm, für den Leute bezahlen. Aber bis anhin habe ich die Protagonisten nicht mal nackt gesehen. Das ist, wie wenn jemand für einen Porno Geld ausgibt, in dem alles zensiert ist.

40 Minuten nach Filmbeginn

Victoria: Ich bin enttäuscht. Mein Kopfkino beim Bücherlesen war eindeutig besser. Vielleicht sollte ich mich mal mit dem Regisseur unterhalten?

Auch einige Darsteller, die in diesem Film neu vorkommen, hatte ich mir gaaanz anders vorgestellt. So ist die ehemalige "Liebhaberin" von Mr. Grey etwa so attraktiv wie ein Fisch. Im Buch ist die Rede von einer älteren Frau mit schönem Körperbau und attraktiven Zügen, oder kurz gesagt: heiss. Hmm, vielleicht habe ich auch einfach einen anderen Geschmack.

Ich habe mal gehört, je lauter eine Frau beim Sex stöhnt und schreit, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Orgasmus vorspielt. Den Beweis haben wir vor Augen: Kaum ist der Finger von Christian in Anastasias Vagina, schon schreit sie und man könnte meinen, sie erlebe den geilsten und grössten Orgasmus überhaupt.

Manuel: Also die amerikanische Komödie Die Schadenfreundinnen mit Kate Upton, die im Bikini am Strand umherhüpft, ist bis zu diesem Zeitpunkt deutlich erotischer.

Ich frage mich, wann es endlich zur Sache geht... Der Film läuft bereits eine gefühlte Ewigkeit und es ist immer noch nichts Nennenswertes passiert. Er entschuldigt sich, sie kommen zusammen und gehen auf einen Ball. Die Handlung kann bis jetzt in drei Sätzen erzählt werden. Und dann noch immer diese kitschige Musik. Das einzige, was annähernd spannend ist, ist das geheimnisvolle Mädchen, das Anastasia auf der Strasse trifft.

Die langweilige Handlung gibt mir Zeit, um nachzudenken. Der Protagonist (Ich hab seinen Namen vergessen) hat anscheinend einen richtig grossen Sprung in der Schüssel. Mit einem Lippenstift lässt er Anastasia auf seinen Bauch Linien malen, die kennzeichnen, wo er berührt werden will und wo nicht.

Zwei Erotikgutscheine

Zu jedem gekauften Ticket gibt es einen Gutschein für einen Erotikmarkt gratis dazu.

60 Minuten nach Filmbeginn

Victoria: Mein Fazit der ersten Stunde (ja, so lange geht das bis zur Pause!): Scheisse, das geht ja noch eine Stunde lang so weiter! Manu beginnt zu gähnen.

Tatsächlich ist die zweite Hälfte des Filmes aber spannender: Anastasia wird von ihrem Chef bedroht. Er möchte sie ins Bett kriegen, mit den charmanten Worten: «Wenn du dich schon nach oben ficken willst, dann mit jemandem, der dich auch klüger macht und nicht nur reich!». Ääh, ja, toll. Nach einem Kick in die Weichteile (He, die Frau kann ja doch was!) flüchtet Anastasia in die Arme ihres Geliebten. Und der zeigt eine Reaktion, wie sie zu erwarten ist. Allerdings ist diese hier sogar glaubhaft geschauspielert, als er sagt: «Ich bringe den Kerl um!». Weil Anastasia aber nicht alleine bleiben will, schickt Christian seinen Bodyguard. Kurz darauf ist der Chef arbeitslos und Anastasia schnappt sich seinen Platz. Jaja, so funktioniert Karma.

Wow, nun passiert noch mal etwas: Während einer Sexszene (mit ausnahmsweise sehr guten Song) lernen wir das Sexinstrument "Spreizstange" kennen. Manu: «Endlich eine Sexszene wie ich sie mir erhofft hatte! So hatte ich mir den Film vorgestellt!»

Manuel: Super. Wir haben Geld bezahlt, damit wir den beiden Protagonisten zusehen können, wie sie sich gegenseitig SMS schreiben. Falls es der Drehbuchautor nicht gemerkt hat: Das Verschicken von Textnachrichten ist bereits seit zwanzig Jahren möglich. Das ist nichts Spezielles mehr!

Aaahh, endlich! 60 Minuten hat es gedauert (Ich hab auf die Uhr geschaut), bis der Protagonist seine Anastasia auf dem Bett versohlt. Mein Respekt vor der Schauspielerin steigt und steigt, als ich auf die Leinwand schaue. Es braucht wirklich grossen Mut, um eine solche Szene zu spielen. Respekt habe ich auch vor der Hand des Protagonisten. Er schafft es, dass seine Sexpartnerin bereits nach wenigen Sekunden kommt. Das nennt man eine Zauberhand. Nach einigen Sekunden wird diese Sexszene wieder von langweiligen Handlungen abgelöst. Ich frage mich, ob man im Kino auch Kaffee kaufen kann.

80 Minuten nach Filmbeginn

Victoria: Im Restaurant bittet Christian Anastasia, dass sie ihren Slip ausziehen soll. Brav macht sie das auch, und zusammen verlassen sie das Restaurant. Manu freut sich schon: «Jetzt passiert sicher irgendwas mit dem Kleid!». Allerdings fingert Christian seine Anastasia "nur" im vollen Lift.

Ja, die zweite Hälfte ist echt spannender als die erste. Ich bin sogar einmal erschrocken! Eine ehemalige "Sub" (wie ich Manu zum Verständnis erklärt habe, die devote Partnerin des "Dom", also hier dem dominierenden Christian Grey) besucht Anastasia in ihrer Wohnung und hält eine Waffe in der Hand. Sie will wissen, warum sie beim Meister im Bett schlafen darf (durfte sie nämlich nicht, die Arme). Als Anastasias Antwort ihr nicht passt, drückt sie einfach ab! Natürlich schiesst sie nur an die Wand, aber trotzdem…

Es folgen weitere spannende Szenen: Ein Streit mit Elena (der ehemaligen Liebhaberin von Christian), der authentischer ist als alles bisher (vielleicht hatten die Schauspielerinnen in echt auch keinen Draht zueinander). Anastasias Auto wird komplett demoliert. Christians Helikopter stürzt ab und einen Moment lang fürchten alle seine Lieben, dass er gestorben ist (ist er nicht, er konnte sich retten).

Doch das war's auch schon. Manus Gähnen ist immer öfter zu hören.

Manuel: Meine Befürchtungen werden wahr. Die Augen werden langsam schwerer. Meine Aufmerksamkeit gilt nicht mehr der Leinwand, sondern dem Kampf gegen das Einschlafen. Eine weitere (erst die zweite!!!) heisse Szene lenkt meine Aufmerksamkeit wieder auf die Leinwand. Diesmal geht es härter zur Sache. Ich frage mich, wer und wie viele Menschen auf diese Art von Sex stehen. Vielleicht bin ich faul, aber im Bett auf der bequemen Matratze ist es doch viel gemütlicher? Das hat anscheinend auch der Protagonist realisiert, denn er und Anastasia sind nun eben dort gelandet und treiben es eng umschlungen. Also wieder Liebesfilm vom feinsten.

Naja, es wird nun wenigstens doch ein wenig spannend. Der Protagonist wäre fast mit seinem Helikopter abgestürzt. Ihm ist aber nichts passiert. Kurze Zeit später erleben Victoria und ich den lustigsten Moment dieses Films. Als Anastasia ihn nach langen Stunden voller Unsicherheit, ob ihr Schatz überlebt hat oder nicht, wieder in die Arme schliessen kann, fragt er sie, ob sie ihn vermisst hat. Wie bekifft war der Drehbuchautor, als der diesen Mist geschrieben hat?!

Schlussszene

Victoria: So romantisch (eigentlich total kitschig, aber es sieht echt schön aus!): Blumen, Herzchen und ein richtiger Heiratsantrag mit auf die Knie gehen und so. Manu gähnt nochmals und findet, das sei der kitschigste Liebesfilm, den er je gesehen habe. Wie auf Stichwort geht in diesem Moment auch noch ein Feuerwerk los. Jööh... (jetzt ist es auch mir way too much)

Manuel: Den Kampf gegen die Müdigkeit habe ich einigermassen überwunden. Das liegt aber nur daran, dass ich mit Victoria rege diskutiere, ob der Protagonist blaue oder graue Augen hat. (Er hat blaue!).

Fazit

Victoria: Rita Ora spielt die Schwester von Christian Grey. Ganz ehrlich, die Frau ist echt hübsch!

Aber es soll ja um den Film gehen…also ich bleibe bei meiner Meinung: die Bücher und mein Kopfkino sind sehr viel besser. Und der erste Film war besser, finde ich. Das liegt aber wahrscheinlich auch daran, dass ich da noch gehofft hatte, dass der Film ähnlich wie mein Kopfkino sein würde. Aber ich habe jetzt immerhin wieder zwei, drei coole Lieder und darf meine erste Filmkritik schreiben.

Manuel: Es war hinausgeworfenes Geld. ist ein langweiliger Liebesfilm ohne Höhepunkte. Die Handlung kann in maximal einer Minute zusammengefasst werden. Ich kann den Hype um diese Filme wirklich nicht nachvollziehen. Liegt es nur an diesen beiden kurzen Sexszenen, als es heiss zur Sache geht? Ich muss aber zugeben, dass mich der Hobbyraum des Protagonisten wirklich beeindruckt hat. Es ist ja normal, dass einige in ihrem Hobbyraum eine Modelleisenbahn aufstellen, Kleider nähen oder Billiard spielen. Es gibt aber anscheinend auch Menschen, die betreiben als Hobby eine Folterkammer mit Geräten und Spielzeugen, deren Name ich nicht mal kenne. Naja, jedem das seine.

Wir stehen nun wieder im Foyer. Mittlerweile befinden sich etwa zwanzig Personen im Kino. Alle sind weiblich bis auf einen jungen Mann, der vermutlich mit seiner Freundin hier ist. Ich schaue ihm in die Augen und sehe seine Begeisterung. Er tut mir Leid!

 

Apropos «50 Shades darker»:

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RSO-Moderator Chris Strauch hat ein Tiershop besucht und nachgefragt, wie häufig Kunden Hundehalsbänder nicht für ihren Hund, sondern für sich selbst kaufen. Die Antwort ist erstaunlich:

 

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