René Pollesch zeigt seine Brecht-«Antigone» in Chur
Am Mittwoch wird in Chur ein Stück Theatergeschichte weitergeschrieben. Das Zürcher Schauspielhaus zeigt René Polleschs «Bühne frei für Mick Levčik!». Ein Stück auf den Spuren von Bertolt Brechts Churer «Antigone».
Am Mittwoch wird in Chur ein Stück Theatergeschichte weitergeschrieben. Das Zürcher Schauspielhaus zeigt René Polleschs «Bühne frei für Mick Levčik!». Ein Stück auf den Spuren von Bertolt Brechts Churer «Antigone».
von Mathias Balzer
Als Bertolt Brecht mit Helene Weigel 1947 nach 15 Jahren Exil nach Europa zurückkehrte, hatte er einen Traum: ein Theaterlabor, in welchem eine gültige Theatersprache für das Nachkriegseuropa entworfen wird. Am Schauspielhaus Zürich hatte die Leitung damals kein offenes Ohr für ein solches Experiment.
Brecht wandte sich an seinen Kollegen aus Berliner Zeiten, Hans Curjel. Der Direktor der Theater- und Tourneegenossenschaft Zürich leitete seit 1945 auch das Churer Stadttheater. Die junge, wilde Truppe im Rätushof hatte unter seiner Ägide mit politisch geprägten Theaterexperimenten national von sich reden gemacht. In Chur war das Ende der Ära Curjel jedoch bereits beschlossene Sache, als er Brecht anbot, hier einen Klassiker zu inszenieren.
Doch «Mister» Brechts Einstand an der Plessur floppte. Die Uraufführung seiner «Antigone» wurde von der lokalen Presse verrissen und vom Publikum ignoriert. Laut Brechtforscher Werner Wüthrich war bereits das Testpublikum, eine Klasse Kantonsschüler, geschockt. Schon nur Kasper Nehers leer geräumtes Bühnenbild sei jenseits jeglicher Theatererfahrung des Churer Publikums gewesen.
Bert Neumann gab den Anstoss
Genau dieses Bühnenbild war wiederum Ausgangspunkt für das Stück «Bühne frei für Mick Levčik!». Mit René Polleschs Inszenierung kehrt Brechts «Antigone» 68 Jahre nach der Uraufführung nach Chur zurück. Polleschs Freund und Bühnenbildner, der im Juli 2015 verstorbene Bert Neumann, gab den Anstoss zu dieser Recherche auf Brechts Spuren. Sie ist – die Zeiten ändern sich – am Schauspielhaus Zürich herausgekommen. Neumann kannte das Bühnenbild zur Churer «Antigone» sehr gut, da er dessen Modell während seines Studiums restauriert hatte.
Denken, lachen – nicht glotzen
In «Bühne frei für Mick Levčik!» – der Name steht übrigens für Brecht, dessen Name wiederum laut seinen Erben nicht verwendet werden durfte –, in diesem Stück zum Stück also, entspricht vieles dem Original von 1948: das Bühnenbild, die Kostüme, die Bänke im Halbrund, auf welchen die Schauspieler rauchend auf ihren Auftritt warten. Doch natürlich läuft das Reenactment gehörig aus dem Ruder. Dafür sorgt ein hervorragendes Ensemble mit Jungmännerchor, allen voran Sophie Rois. Sie stellt die Frage, worum es in diesem Stück geht, auf der Bühne gleich selbst – als Running Gag – und meint: «Es ist doch fantastisch, dass wir damit nach Chur gehen!»
«Bühne frei für Mick Levčik!» Mittwoch, 11. Januar, 20 Uhr. Theater Chur. Einführung um 19.30 Uhr. Reservation unter www.theaterchur.ch.
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Bereits Abonnent? Dann schnell einloggen.