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«With A Little Help From My 60 Very Best Friends»

Corin Curschellas feiert ihren 60. Geburtstag mit einem grossen, öffentlichen Fest im Theater Chur. Für das Programm sorgen 60 ihrer künstlerischen Weggefährten. Eine Gelegenheit für einen Blick zurück.

Südostschweiz
19.09.16 - 09:00 Uhr
Kultur

von Mathias Balzer

«Ich schaue zurück und staune. Es scheint, als sei ich dauernd auf Achse gewesen. Ich hatte keine Tiere, keine Kinder, keinen Bauernhof – alle meine Energie ist in die Musik geflossen.» Corin Curschellas lacht, wenn sie das sagt. Für sie stimmt der Zeitpunkt für eine Rückschau. Die Sängerin ist am 2. Juli 60 Jahre alt geworden. «Ein denkbar schlechtes Datum für ein Fest. Dann fahren alle in die Ferien», sagt sie.

Da passt der 1. Oktober besser. Dann wird Curschellas im Theater Chur ihren Geburtstag feiern. Für einmal wird nicht sie auf der Bühne stehen, sondern rund 60  Freundinnen und Freunde: Musiker, Schriftsteller, Schauspieler, Kabarettisten. Allesamt Künstler und Künstlerinnen, die Curschellas während der letzten 43 Jahre begleitet haben.

Von abends um acht bis nachts um zwei wird das Fest mit seinem festlich ausufernden Programm dauern – und es ist keineswegs nur für geladene Gäste angerichtet. Der Anlass ist öffentlich. So kann jeder und jede Interessierte mit dabei sein, wenn Graubündens bekannteste Singer-Songwriterin die Glückwünsche ihrer Weggefährten entgegennimmt.

«Finden Sie das seltsam?», fragt die Musikerin rhetorisch. Ihr gehe es vor allem darum, möglichst viele Leute wieder einmal zusammenzubringen. Und wenn schon eine solch illustre Künstlerschar für Unterhaltung sorge, so sei es nur recht, wenn das möglichst viele erleben können.

Karriere ohne Hit-Maschinerie

Zurück zum Rückblick: Von aussen gesehen gibt es in Curschellas Musikerinnen-Vita einigen Glamour. Berlin, Paris, New York als jahrelange Wohnorte beispielsweise. Und dann die Künstler, mit denen sie zusammengearbeitet hat: Christoph Marthaler, Robert Wilson, Stefan Pucher – um nur drei Namen aus dem Theater zu nennen. (Curschellas ist auch ausgebildete Schauspielerin). Dann die Musiker und Tonkünstler: Mathias Rüegg und das Vienna Art Orchestra, Andreas Vollenweider, Christian Marclay, George Gruntz, Fritz Hauser, Marc Ribot, Michael von der Heide und, und, und ...

Für Letzteren hat Curschellas «Jeudi d’amour» geschrieben. Sie selbst hat nie einen Nummer-1-Hit gelandet. Wie viele andere hervorragende Musiker entwickelte sie sich auch ohne Hitparadenplatz weiter und hat letztendlich ein Leben lang Musik gemacht. «Natürlich gab es die Hitmaschinerie schon vor 40  Jahren», erzählt Curschellas. «Diese Produzenten nannten mich ‘Nischenprodukt’. Eine ziemliche Beleidigung damals. Das bedeutete: Du bist zu wenig formbar, zu wenig aufdrapiert, auf dich setzt keiner, mit dir kann man kein Geld verdienen», sagt Curschellas und lacht wieder. Einbruch der CD-Verkäufe, Digitalisierung? Sie blickt entspannt auf die Entwicklungen im Musikbusiness, die schon manchen ins Straucheln gebracht haben.

Langsame Entwicklung

«Interessant ist, dass meine Musikerkollegen und ich vor 40 Jahren dasselbe gemacht haben wie heute. Das heisst vor allem: real leben und arbeiten. Nicht in die Illusionsmaschine des grossen Business geraten, die einen plötzlich reich macht und berühmt – und bumm! Fällt man wieder zurück von ganz oben auf Feld 1.»

Ihre Arbeit habe sich langsam, «step by step», entwickelt. Und ihr Publikum kaufe immer noch gleich viele CDs wie früher. «Mehr als 8000 pro Album waren es eh nie», sagt die Sängerin.

Bei den Gagen sei es ähnlich. Sie habe für ihren ersten Gig 1977 als zweite Stimme in der Band von Walter Lietha 300 Franken erhalten. «Auf heutige Lebenskosten umgerechnet sind die Bandgagen nicht höher geworden.»

Was empfiehlt sie in dieser Situation ihren jungen Kolleginnen, deren Publikum das CD-Gestell definitiv entsorgt hat? «Ich rate ihnen: ‘Keep on doing it’ – und schau, dass du ein zweites Standbein hast.» Was Curschellas als Dozentin für Gesang übrigens hatte. Rein von der Musik zu leben sei immer schwierig. Es komme aber auch auf den Lebensstil an. «Wenn Du nicht zu viel kompensieren musst mit Materiellem, dann lässt es sich als Künstlerin schon leben», sagt die 60-Jährige – und rät: «Dranbleiben, das ist wichtig.»

60 Künstler auf der Bühne

Und wie geht das nun genau am Samstag, 1. Oktober, wie bringt die Jubilarin 60 Künstler auf die Bühne? «Jeder wird zur Bescheidenheit gezwungen», erklärt Curschellas. Für die einzelnen Darbietungen sind je fünf Minuten eingeplant. Eine Hausband begleitet die Solos. Silvio Huonder und Tim Krohn werden beispielsweise neue Texte lesen. Dann gibt es verschiedene Kooperationen: Andrea Caprez wird mit Max Lässer, Markus Flückiger und Anton Bruhin auftreten, Reto Hänny mit Fritz Hauser, oder Peter Conradin Zumthor mit der Band The Recyclers und DJ ill Vibe. Und, und, und ...

60 Jahre Corin Curschellas: Mit 60 Künstlerfreunden aus aller Welt. Samstag, 1. Oktober. Ab 20 Uhr. Theater Chur. Weitere Informationen: www.theaterchur.ch

Buchvernissage: «La Grischa» zum Zweiten Mit dem Liederbuch «La Grischa 1» landeten die Chasa Editura Rumantscha und Corin Curschellas einen veritablen Erfolg. Die Sammlung rätoromanischer Lieder, in allen Idiomen, inklusive Übersetzung, stiess bei privaten und in Schulen auf grosses Interesse. Nun erscheint «La Grischa 2». Weitere 47 Lieder sind darin wiedergegeben, mit Notensätzen, Melodie und Begleitakkorden, und mit zweisprachigen Strophentexten. Wie im ersten Band gibt es dazu zwei CDs, auf welchen die Lieder von Curschellas und weiteren Musikern neu interpretiert werden. Buchvernissage zu «La Grischa 2» ist am 1, Oktober, um 18.30 Uhr, im Theater Chur.

(bal)

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