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Die schlechteste Opernsängerin der Welt

Sie glaubt, sie singt wie eine Nachtigall. Alle anderen hören: eine Krähe. Die wahre Geschichte der gnadenlos unbegabten Sängerin und Millionärin Florence Foster läuft seit Donnerstag in den deutschschweizer Kinos.

Südostschweiz
24.11.16 - 04:14 Uhr
Kultur

von Julia Wäschenbach

Mit Leidenschaft und einer grossen Portion Selbstbewusstsein kann man im Leben viel erreichen. Ein besseres Beispiel als die US-amerikanische Sängerin Florence Foster Jenkins (1868–1944) gibt es dafür wohl nicht. Zum Glück hat Foster Jenkins dazu auch noch Geld und gute Verbindungen. Damit will sich die exzentrische Lady der New Yorker High Society im hohen Alter den Traum erfüllen, in der Carnegie Hall vor Tausenden Leuten zu singen. Schön und gut, wäre da nicht ein kleines Problem: Wenn sie den Mund aufmacht, zerspringt ihren Zuhörern vor Schreck fast das Trommelfell.

Unbändige Willenskraft

«Möchten Sie es nochmal versuchen?», fragt der Aufnahmeleiter im Tonstudio Foster Jenkins, als sie gerade ein Stück in den schiefsten Tönen eingesungen hat. «Ich wüsste nicht, warum», entgegnet die Diva (Meryl Streep) keck. «Für mich war es perfekt.» Von ihrem Gesangstalent ist die grosszügige Millionärin auch so überzeugt, weil ihr nie jemand ins Gesicht gesagt hat, dass sie keins hat.

Mit der Zeit wird der Versuch, sie vor der Wahrheit zu beschützen, für ihren Ehemann St. Clair Bayfield (Hugh Grant) allerdings zum Vollzeitjob. Der englische Schauspieler liebt seine Frau innig, wenngleich er auch eine jüngere Freundin hat, mit der er in einer Wohnung schläft, die Foster Jenkins bezahlt.

Wüsste man nicht, dass es Florence Foster Jenkins und das Konzert in der Carnegie Hall wirklich gegeben hat, hielte man es kaum für möglich, dass jemand so naiv und blind sein kann. Gleichzeitig kann man nicht anders, als die gnadenlos unbegabte Opernsängerin für ihre Warmherzigkeit zu mögen und die Willenskraft zu bewundern, mit der sie ihren Traum verfolgt.

Hauptsache Leidenschaft und Spass

An ihrer Seite hat Foster Jenkins dabei jemanden, der vor Scham am liebsten regelmässig im Boden versinken würde. Ihr Pianist Cosmé McMoon, herrlich nervös gespielt von «The Big Bang Theory»-Star Simon Helberg, gerät vor dem grossen Auftritt in Panik: «Wir werden da draussen gelyncht!»

Parallel zu dem goldrichtig besetzten Hollywoodfilm läuft in den Deutschschweizer Kinos seit dem 17. November das Doku-Drama «Die Florence Foster Jenkins Story». Für die Hauptrolle in seinem Film hat Regisseur Ralf Pleger die US-amerikanische Opernsängerin Joyce DiDonato engagiert. Genau wie für Streep dürfte es für den Profi eine Herausforderung gewesen sein, den schrecklich schiefen Gesang der Operndiva nachzuahmen, den Pianist McMoon in «Florence Foster Jenkins» als «medizinisch nicht erklärbar» beklagt.

Trotzdem ist der Pianist am Ende bei ihrem Konzert in der Carnegie Hall an der Seite von Foster Jenkins, die Zeitungen tags darauf als «schlechteste Sängerin aller Zeiten» verhöhnen. Und so wird aus der Geschichte der untalentierten Künstlerin eine Erzählung darüber, wie wichtig es ist, für andere einzustehen, und: mit Leidenschaft etwas tun, das einem wirklich Spass macht – ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass man damit auch scheitern könnte.

So schräg Florence Foster Jenkins auch gewesen sein mag: Sie hat die glücklich gemacht, die sie gehört haben – wenn auch vielleicht nicht auf die Art und Weise, in der sie es beabsichtigt hatte.

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