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Islamische Gemeinschaft ist überzeugt: Es war Blutrache

«Es war Blutrache», sagen Vertreter der islamischen Gemeinschaften der Schweiz zum Tötungsdelikt in der albanischen El-Hidaje Moschee in St. Gallen Winkeln. Die Tat vom vergangenen Freitag habe weder einen religiösen noch politischen Hintergrund.

Südostschweiz
28.08.14 - 21:48 Uhr

St. Gallen. – Vertreter der islamischen Gemeinschaft luden knapp eine Woche nach dem Tötungsdelikt, bei dem ein 51-jähriger Serbe einen gleichaltrigen Schweizer albanischer Abstammung erschossen hatte, zu einer Medienkonferenz in die Moschee in St. Gallen-Winkeln.

Das Opfer sei in der vordersten Reihe mit 40 bis 50 Gläubigen am Beten gewesen, als der Täter auf den am Boden knienden Mann zugekommen sei. Der Unbekannte, der nicht Mitglied der El-Hidaje-Gemeinschaft sei, habe dem Opfer mit einer Pistole aus nächster Nähe in den Kopf geschossen, sagte Hisham Maizar, Präsident der islamischen Dachverbände Schweiz (Fids) und des Dachverbandes islamischer Gemeinden der Ostschweiz und des Fürstentums Liechtenstein (Digo).

Damals in Notwehr gehandelt

Das Opfer sei wahrscheinlich bereits tot gewesen, als der Täter weitere Schüsse auf den Rücken des Mannes abgefeuert habe, sagte Maizar. Laut den Zeugen – einigen ältere Männer, die nicht gleich aus dem Gebetsraum im ersten Stock des Gebäudes fliehen konnten – habe der Täter danach gesagt: «Jetzt fühle ich mich erleichtert. Ich habe den Auftrag erfüllt». Kurz nach der Tat liess sich der Täter widerstandslos festnehmen.

«Wir sind von der These überzeugt, dass es Blutrache war», sagte Maizar. Es sei in der El-Hidaje-Gemeinschaft bekannt gewesen, dass der am Freitag getötete Mann vor 17 Jahren in eine Auseinandersetzung verwickelt gewesen war, bei der der Bruder des Täters ums Leben kam. Der damals 34-Jährige habe in Notwehr gehandelt und sei freigesprochen worden, sagte Maizar.

Ein Ehrenmord

Falls die These stimme, habe die Tat vom Freitag weder etwas mit Politik noch mit Religion zu tun. «Es war ein Ehrenmord nach dem Kanun, dem albanischen Gewohnheitsrecht, das in gewissen Gegenden im Norden des Landes noch immer gilt», sagte Maizar. Dass der Täter eine Moschee für seine abscheuliche Tat gewählt habe, erstaune nicht. Die Blutrache solle laut dem Kanun nicht an einem dunklen Ort, zum Beispiel in einer Tiefgarage verübt werden, sondern in der Öffentlichkeit. «Durch die Tat in der Moschee bekommt der Täter viel Aufmerksamkeit», sagte Maizar.

Die islamische Gemeinschaft verurteile und verabscheue das Prinzip der Blutrache und der Selbstjustiz. Anhand der Tat vom Freitag werden die islamischen Gemeinschaften noch mehr Aufklärungsarbeit betreiben, versprach Maizar. Allen in der Schweiz lebenden Muslimen müsse klar gemacht werden, dass der Kanun nichts mit ihrem Glauben zu tun habe und sie die Gesetze ihrer Wahlheimat respektieren müssten, sagte Maizar.

«Wir werden alles tun, um diese Familienfehde zu stoppen», sagte Mehas Alija, Imam der albanischen El-Hidaje-Moschee, der die Familie des Opfers betreut und begleitet. Die vier Kinder seien in der Schweiz aufgewachsen. «Wir sind zuversichtlich, dass sie nichts unternehmen werden, um ihren Vater zu rächen», sagte der Imam.

Opfer wird in Heimat beigesetzt

Die Beisetzung des Opfers finde in der Heimat des Getöteten statt, wo dessen Mutter lebe. Die Leiche des 51-Jährigen sei am Dienstag von der Gerichtsmedizin freigegeben worden. Bei den rituellen Waschungen seien die Familie und viele Mitglieder der El-Hidaje-Gemeinschaft dabeigewesen. Der Schock und die Betroffenheit sei gross. «Viele von uns haben noch gar nicht begriffen, was passiert ist», sagte der Imam.

Wie die St. Galler Polizei am Samstag mitteilte, hat der 51-jährige Serbe die Tat gestanden. Zum Tatmotiv machten die Behörden bisher keine Angaben. (sda)

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