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Raftingexperte: «Raftingprofis können das keine gewesen sein»

Bei einem Bootsunglück auf der Landquart sind am Freitag zwei Männer aus Tschechien ums Leben gekommen. Ein weiterer Mann wird noch vermisst. Laut Raftingexperte Wim Martens aus Klosters kann der hohe Wasserstand nicht alleinige Ursache des Unfalls gewesen sein.

Südostschweiz
30.05.16 - 14:18 Uhr
Blaulicht

Die Todesopfer des Bootsunfalls vom Freitag auf der Landquart stammen aus der Tschechischen Republik. Wie Marcus Corai von der Kantonspolizei Graubünden auf Anfrage bestätigte, handelt es sich um zwei Männer im Alter von 60 und 66 Jahren. Der noch vermisste Mann ist 66-jährig und ebenfalls Tscheche.

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Wie Wim Martens, Inhaber der Firma Wasserchraft in Ilanz, auf Anfrage erklärte, lag die Wassermenge bei der Messstelle Felsenbach in Grüsch am Freitagmittag zwischen 35 und 40 Kubikmeter, am Abend dann bei 65 Kubikmetern. «Ab 40 sprechen wir von Hochwasser» so der in Klosters wohnhafte Raftingexperte. Die Wassermenge sei also am Freitagmittag noch im grünen Bereich gelegen.

Er selbst sei am Donnerstag zusammen mit einigen seiner Guides noch zu Übungszwecken auf der Landquart gewesen. «Mit unerfahrenen Passagieren gehen wir allerdings ab 35 Kubikmeter im Abschnitt Küblis–Fideris nicht mehr auf den Fluss», so Martens. Gestartet werde dann höchstens in Fideris. Da er seit vielen Jahren auf der Landquart unterwegs sei, kenne er den Fluss und habe schon am Donnerstag gesehen, dass in den nächsten Wochen aufgrund des Schmelzwassers, markanter Aufwärmung, Föhn und Gewitter keine kommerziellen Raftingtouren stattfinden könnten. Er habe deshalb noch am gleichen Tag alle bei ihm für das Wochenende gebuchten Touren verschoben.

Auf der Landquart gibt es keine ruhige Stelle.

Die Firma Wasserchraft bietet seit mehr als zehn Jahren kommerzielle Raftingtouren auf der Landquart an. Die zertifizierte und mit sämtlichen nötigen Bewilligungen ausgestattete Firma hat fünf festangestellte Guides und kann bei Bedarf zehn bis zwölf weitere nach dem Standard der Swiss Outdoor Association ausgebildete Guides aufbieten.

Actionreicher Raftingfluss

Die Landquart sei seit der Renaturierung ein sehr schöner und actionreicher Raftingfluss, sagte Martens. «Der Fluss ist eigentlich nicht sehr schwierig. Er ist aber kontinuierlich, es gibt also keine ruhige Stelle, was ihn wieder anspruchsvoll macht.» Deshalb seien bei seinen Touren auf der Landquart im Minimum immer zwei Guides dabei. Jeweils einer pro Boot. Auch wenn nur ein Boot unterwegs sei, seien zwei Führer dabei. Bei hohem Wasserstand sichere ein zusätzlicher Guide an Land die schwierigen Stellen ab.

Auf den Unfall vom Freitag angesprochen meint der Experte: «Raftingprofis können das keine gewesen sein.» Immer wieder treffe er auf der Landquart zufällig auf Amateur-Raftinggruppen, vielfach aus dem Ausland. Schon mehrmals habe er solche Gruppen vor der Landquart gewarnt. «Denn es gibt zum Beispiel zwischen Küblis und Fideris schon drei vier schwerere Stromschnellen, die sich ständig ändern können», erklärte Martens.

Da müssen noch mehrere Fehler passiert sein.

Aus Sicht des Experten haben sich die Rafter aus Tschechien am Freitag schlicht und einfach überschätzt. Der relativ hohe Wasserstand kann gemäss Martens nicht der einzige Grund für das Kentern des Bootes bei Fideris Station und die tragischen Folgen gewesen sein. «Da müssen noch mehrere Fehler passiert sein». Als Stichworte nennt Martens Material, Fähigkeiten, Führer, Vorbereitung und Flusskenntnisse. Hier müsse man wohl die Untersuchungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft abwarten.

Was Martens nicht ganz begreifen kann, ist, warum sich Polizei und Rettungskräfte nach dem Unfall nicht bei ihm oder seinen Kollegen aus der Bündner Rafting-, Kanu- und Kajakszene, gemeldet haben. «Wir als Anbieter von Raftingtouren haben nach dem tragischen Unfall natürlich Kontakt aufgenommen, man kennt sich untereinander», sagt Martens. «Wir haben einige Extremkajakfahrer in unseren Reihen, welche die Landquart nach dem Unglück abfahren und damit bei der Suche hätten helfen können». (phw/pl)

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