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Die erschütternde Welt des Daniel Blake

Wieder einmal prangert der britische Regisseur Ken Loach soziale Missstände an. Sein Drama «I, Daniel Blake» erzählt vom aussichtslosen Kampf eines Handwerkers, der in die Armut abzurutschen droht. 

Südostschweiz
05.12.16 - 18:37 Uhr
Kultur

Ken Loach ist so etwas wie die kritische Stimme Grossbritanniens. Seit Jahrzehnten prangert der Regisseur immer wieder soziale und gesellschaftliche Missstände an und gibt den Schwachen eine Stimme. Egal, ob im Jugenddrama «Kes» (1969), in der Tragikomödie «My Name is Joe» (1998) oder in «Bread and Roses» (2000) über eine illegale Einwanderin.

Auch mit 80 Jahren verspürt Loach noch immer eine gewisse Wut und hat seinen Kampfgeist nicht verloren – mit «I, Daniel Blake» legt der Brite jetzt erneut ein erschütterndes Werk über gravierende Ungerechtigkeiten im modernen England vor. Am Filmfestival in Cannes gab es dafür in diesem Jahr die Goldene Palme. Auf der Piazza Grande in Locarno erhielt Loach den Publikumspreis.

Eine Ersatzfamilie

Daniel Blake ist Ende 50. Sein Leben lang hat der Witwer hart als Schreiner gearbeitet. Nach einem Herzinfarkt aber ist er schwer krank und braucht zum ersten Mal staatliche Unterstützung. Damit beginnt sein aussichtsloser Kampf mit den Behörden. Sie legen ihm immer neue Steine in den Weg, fordern immer neue Angaben und zögern so die Zahlung des Arbeitslosengeldes hinaus. Der Mann, der bisher nie die Hilfe des Staates brauchte, droht in die Armut abzurutschen.

Bei einem seiner Behördengänge trifft Daniel auch Katie. Die junge Frau ist alleinerziehende Mutter zweier Kinder und wurde vom Sozialamt gezwungen, in den heruntergekommenen Sozialbau in einer ihr fremden Stadt zu ziehen. Daniel und Katie freunden sich an, helfen sich gegenseitig und werden so etwas wie eine Ersatzfamilie.

Das bleibt aber auch einer der wenigen Lichtblicke in dem Leben der beiden sozialen Aussenseiter. Stattdessen scheinen sie trotz aller Anstrengungen nichts gegen ihren weiteren Absturz tun zu können. Mit zu den berührendsten und erschreckendsten Momenten gehört dann auch die Szene, in der Katie in den Räumen einer Spendentafel verzweifelt und zitternd eine Dose mit Essen öffnet, weil sie so hungrig ist.

Aufwendige Recherchen

Sehr eindringlich zeigt Ken Loach die Missstände in seiner Heimat auf – und schlägt sich eindeutig auf die Seite der Benachteiligten. Er erzählt, wie Arme immer ärmer und an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, auch wenn sie sich um einen Job bemühen. Wie schon ihre Kinder keine wirkliche Chance im Leben haben. Und wie sie immer mehr in die Mühlen der Bürokratie geraten und am Ende sogar ihre Würde verlieren.

«I, Daniel Blake» wirkt dabei fast wie eine Dokumentation, so realistisch inszeniert Loach sein Drama. Dazu tragen auch die herausragenden Darsteller bei: Dave Johns ist eigentlich Komiker, verkörpert nun aber glaubhaft den mit dem Leben hadernden Daniel Blake, einen Durchschnittsengländer. Die Jungschauspielerin Hayley Squires wiederum überzeugt als Katie, die zwischen Optimismus und Verzweiflung schwankt. (sda)

«I, Daniel Blake» läuft derzeit in den Deutschschweizer Kinos. 

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